Magnet

 

Hell lag auf dem Bett und machte keine Anstalten. Wozu auch immer man ihn jetzt aufgefordert hätte, nichts wäre über seine Wahrnehmungsschwelle getreten. Selbst die Sonne kam gerade nur so weit, hinter seinen geschlossenen Augenlidern einen weiß-roten Lichtsaum zu hinterlassen. Schallwellen vorbeifahrender Autos und geschwätziger Passanten vom Gehweg, sogar von Flugzeugen im Sinkflug, gaben sich alle Mühe, Zugang zu Hells Hirn zu finden, verrauschten jedoch schon zwischen Gehörknochen und Bogengängen.

Ina und Nina kamen ins Zimmer gestürzt. Eine über die andere. So kamen beide fast gleichzeitig vor Hells Bett zu liegen. Nachdem sie fast drei Minuten lang Faxen gemacht hatte, Hell sich zu reagieren weigerte, wie sie meinten, nahmen die Damen es persönlich und wandten sich ab. Ina hatte im Gemenge ihren Überwurf verloren, wollte ihn greifen, da faltete sich ihr zitronengelber Mantel in einen Schmetterling und flog davon.

Im Gegenzug kam ein Trauermantel durchs geöffnete Fenster herein und legte sich über Ninas Schultern.

Mit der Zeit hatten sich tausende Schmetterlinge beim Fenster versammelt. Hell spürte, wie sie im Rhythmus seines Atems die Flügel auf- und zuschlugen. So  musste es also sein, das gefaltete Universum! Und mit jedem Atemzug verschwand wieder ein Falter und eine ganze Dimension ging in die Binsen.

Hell konnte alles gut sehen, denn seine Augenlider waren fest verschlossen.

In seinem Körper bildeten sich fortwährend neue rote Blutkörperchen, während andere für immer verschwanden. Ja, das war ein aufgeregtes  Kommen und Gehen, wie auf der Cranger Kirmes! Nur, dass die Passanten alle rote Kapuzen übergestreift hatten.

Die Eisenatome seiner roten Blutzellen solidarisierten sich mit ihren Verwandten im Erdmittelpunkt. Selbst wenn Hell jetzt hätte aufstehen wollen, die Elementarteilchen hätten ihn nicht gelassen!  - Blut und Eisen gemeinsam im Dienste der Trägheit. - Dass es einmal so weit kommen würde; Diogenes und Ernst Jünger Hand in Hand, kein Philosoph hätte sich das je ausdenken können.

Steele 2009