Die Romane Franz Kafkas als Versuchsanordnung

 

 

EINLEITUNG


Dem, der über Kafka schreiben will, stehen zwei Varianten des Einstiegs offen: Entweder er geht den Weg über die mittlerweile kanonisierten Großtexte der Kafka-Sekundärliteratur, oder er folgt dem Vorgehen von Deleuze/Guattari und fängt einfach irgendwo an. Aber gleich, welchen Weg er auch gehen mag, früher oder später wird er sich in den Paradoxien des Kafkawerks verheddern.

Ich wähle die zweite Alternative.

 

 

1. Der Road - Runner

Karl Rossmann, der Held in Kafkas Amerika-Roman, hat sich, wie auch schon in ähnlichen Momenten zuvor, durch sein Reden und Handeln in eine ausweglose Situation gebracht. Von der Polizei und anderen bedrängt, setzt Karl in der ihm fremden Stadt Ramses zum Lauf an.
Was nun folgt, ist die Beschreibung einer Szene, die einem der frühen Filme der Keystone Company (kurze Slapstick-Filme, die Kafka nachweislich gesehen hatte) entnommen sein könnte:

"Karl hatte wenig Hoffnung und verlor sie fast ganz, als der Polizeimann nun, das sie sich Quergassen näherten, die gewiß auch Polizeipatrouillen enthielten, geradezu ohrenbetäubende Pfiffe ausstieß. Karls Vorteil war lediglich seine leichte Kleidung, er flog, oder besser, stürzte, die sich immer mehr senkende Straße hinab, nur machte er, zerstreut infolge seiner Verschlafenheit, oft zu hohe, zeitraubende und nutzlose Sprünge. Außerdem hatte der Polizeimann sein Ziel, ohne nachdenken zu müssen, immer vor Augen, für Karl dagegen war der Lauf doch eigentlich Nebensache, er mußte nachdenken, unter verschiedenen Möglichkeiten auswählen, immer neu sich entschließen. Sein etwas verzweifelter Plan war vorläufig, die Querstraßen zu vermeiden, da man nicht wissen konnte, was in ihnen steckte, vielleicht würde er da gerade in eine Wachstube hineinlaufen…"


In dieser Szene/Szenerie werden zwei Elemente, das Denken des Helden und die Räume (räumliche Ordnungen/Architektur) in eine enge, wenn auch noch trennbare Verbindung gesetzt. Später, im Prozeß und erst recht dann im Schloß - Roman wird diese Konnotation immer fester gezurrt.

 

2. Architektur - Räume

 

Kafkas Romane sind inhaltlich in Stationen organisiert, die jeweils architektonisch definierten Räumen entsprechen; meist Gebäuden. Die Wege zwischen diesen Architekturen sind allein Übergänge und werden zumeist im Laufschritt oder in Fahrzeugen zurückgelegt. (Beispiele sind der oben zitierte Lauf Karls, die Taxen, die Josef K. im Prozeß nimmt, um zu seinen Terminen zu rasen, die Wagen, die die Beamten des Schlosses benutzen, um ins Dorf zu gelangen (Zusätzlich müsste man noch die Funktion der Boten und Bediensteten, sowie der Wächter beachten.).

Einen ruhigen Moment unter freiem Himmel kann es nicht geben. Und wenn es ihn doch gibt, so wie im Fall von Amalias Vater (S), so führt er zu schneller Vergreisung. Als ob, wie bei Dracula, das Sonnenlicht die Körper zerstörte.

Kafkas Helden suchen beständig muffige Dachböden (P), öffentliche Räume wie Gaststätten oder kellerähnliche Räume auf (die Wohnung des Dr. Huld oder etwa den Dom im Prozeß). Wichtige Ereignisse finden überhaupt nur während der Nacht statt, wie etwa die "Nachtverhöre" (S) oder der "Fall Robinson" (A).
Die Gebäude selbst sind labyrinthisch angelegt und werden von wuchernden Serien von Personal (= Funktionen) bevölkert. Beispiel: Das Hotel "Occidental" (A), das 50 Küchenmädchen hat, 40 Liftboys, 31 Aufzüge, 5000 Gäste. Es besitzt einen Hauptausgang, viele Nebenausgänge und zahllose Türen, die hinein- und hinausführen.
Die Häuser sind von unendlich vielen Treppen und Gängen durchzogen. Dabei kann es geschehen, dass der Ort, der aufgesucht werden soll, verpasst wird, aber "im Nebenraum" das Erwünschte (Gespräch mit dem Beamten Bürgel (S) zu finden ist.

Kurz: Die Architekturen sind für die Helden ebenso Schutzräume wie labyrinthische Fallen. Die Dunkelheit, die sie aufsuchen, ist zugleich auch das, dem sie zu entkommen versuchen. (K. geht auf das Angebot Pepis, sich in ihrem dunklen Zimmer zu verstecken, nicht ein.). Die K's (für alle Helden der Romane) sind beständig auf der Suchflucht. Dieser hartnäckige Bewegungsdrang/- zwang endet nicht innerhalb der Gebäude, aber es gibt Momente, da sie zur körperlichen Ruhe gezwungen werden. Das sind Momente, die mit Gerichten oder gerichtsanalogen Situationen zu tun haben. Dabei müssen sich die K's zumeist Reden anhören oder halten selbst welche. Beispiel: Karls Verteidigungsrede für den Heizer (A) oder die Predigten der Brückenwirtin (S).

Diese Situationen sind Konstruktionen, zu denen Enge, architektonisch und psychisch, konnotiert ist (Die Loge des Portiers (A), das Zimmer des Malers Tintorelli (P), die Rede im engen Zimmer Bürgels (S), alle Verhörsituationen). Es sind Momente der Peinlichkeit, Augenblicke des Schmerzes. Es gibt allerdings bei Kafka keinen direkten Hinweis darauf, dass die Helden selbst ebenso empfinden, allein das Zusammenkommen von Enge, Bewegungsdrang und Rede spricht dafür.

K. (der ideale Gesamt-K. aller Romane) scheint vor etwas zu fliehen, das er im selben Zuge wieder aufsucht. In der filmischen Perspektive eines ebenfalls idealen Top-Shots bekäme man den Eindruck eines perfiden Experiments, ähnlich dem, bei welchem Ratten in einem künstlich angelegten Labyrinth durch den Duft von Käse angelockt sich einen Weg durch spezielle Aufbauten bahnen müssen. Dabei würde das Experiment noch dadurch komplexer, dass der Boden elektrisch geladen wäre und ein allzu langes Verweilen an derselben Stelle unangenehme Stromstöße nach sich zöge. Gelegentlich könnte aber, nach einem nicht einsehbaren Prinzip, der Strom abgeschaltet, die Aufbauten verändert, der Käse versetzt werden.

Was aber entspricht in K's Fall dem Käse, was den Stromstößen? - Dem Käse entspricht die Anziehungskraft der Macht, alle Räume, die die symbolische Ordnung repräsentieren, ebenso wie die Personen, die ihnen zugeordnet sind. Das sind: Der gesamte Schlossbereich (S), die Gerichtsordnung (P) und der imaginäre Pol, der Karl in seinem Streben nach Stellung und Ordnung (A) anzieht. Den Stromstößen entsprechen die oben angeführten Momente der Enge.
Doch so einfach wie bei einem Test mit Ratten ist die Versuchsanordnung (vgl. Günther Anders. "Kafka. Pro und Contra") nicht zu beschreiben. Denn die Architekturen wie auch deren inhärentes Personal sind zugleich imaginär wie auch real, und die Gänge, die K. durchquert, sind Gedanken -Gänge, die Gebäude Gedanken-Gebäude.

 

 

3. Die Romane als Versuchsanordnung

 

Die Exposition der Romane als Versuchanordnung ähnelt einem Spiel in drei Runden: Die Romane beginnen jeweils mit einem Erwachen. - Im Amerika-Roman wird die Ankunft des Einwanderers als "Geburt" bezeichnet, Josef K. erscheinen die Wächter am Morgen seines 30. Geburtstages (den man gemeinhin als der Datum eines endgültigen Erwachsenseins ansehen könnte), K. erwacht, nach kurzem Vorspiel, in fremder Umgebung.
Die Topographie ist entweder schon von der Geographie als solcher her fremd (A,S) oder wird schnell alienisiert (P). Die drei Runden beginnen auch gleich mit einem Handicap für die Testpersonen/Helden. Man könnte es zusammen mit der fremden (fremd gemachten) Umgebung nach Hitchcock einen "McGuffin" nennen, denn sie sind ganz unglaubwürdig, reine Plotbegründung. Sie sind auf ihre Art "Sündenfälle": Karl hat ein Dienstmädchen geschwängert, K. beginnt seinen Lauf mit der "Landvermesser-Lüge", Josef K. kann seine Eingabe nicht abgeben, da er zu seiner Rechtfertigung "sein ganzes Leben" überprüfen müsste. Am Ende des "Prozesses" aber erwartet er seine Henker im Einverständnis seiner Schuld.

Damit sind die Startbedingungen genannt: Das Streben nach Macht, Erfolg und Stellung, die Eroberung eines fremden Terrains: Karl versucht sein Glück in Amerika, K. sucht die Nähe des Schlosses, Josef K. besitzt zwar eine Stellung, von der Karl nur träumen konnte (sie ist durch den Konkurrenten Direktor-Stellvertreter bedroht), aber das "Gerichtswesen" repräsentiert eine viel stärkere, weil unbedingt wirkende, atavistische Macht (vgl. W. Benjamin).
Die Helden geraten während ihres Laufs (Ver-laufs) immer, wie ich es nenne, in "Duplex - Situationen". Sie müssen zwischen zwei Handlungsalternativen entscheiden, deren mögliche Folgen sie sich positiv "ausrechnen". Meist sind die Situationen so konstruiert, dass sie Entscheidungsnöte provozieren.

Karl, der unbedingt seinen Regenschirm aus dem Schiff holen will, muss dabei seinen Koffer einer Reisebekanntschaft für eine Zeit überlassen. Während er im Schiff danach sucht, verirrt er sich in dessen labyrinthischen Gängen und Decks und trifft dabei auf den "Heizer". Wiederum eine Situation, in der er sich entscheiden muss: Die Figur wird ihm gewissermaßen "vor die Nase" platziert. Er macht sich zu dessen Anwalt, aber während des Plädoyers für ihn und durch seine Aussage kommt ein weiteres Element hinzu: der Heizer, durch dessen Verteidigung Karl sich etwas "ausgerechnet" hat, blamiert ihn und sich; - typische Kafka'sche Inversion.

Ob nun topographisch oder auch psychisch, die Situationen sind so konstruiert, dass sie immer Enge bzw. Entscheidungsnot provozieren. Meist schließt sich die Befolgung beider Alternativen aus. Die K's müssen an zwei Orten gleichzeitig sein, wollen es auch.
Aus den negativen Folgen einer einzelnen Notsituation und deren Folgen müssten die K's etwas gelernt haben, aber so ist es nicht. Sollten sie allerdings doch einen Weg nach großen Mühen einstudiert haben, so dass er ihnen beim zweiten Begehen leicht fiele, wie etwa Josef K.'s Auffinden des Gerichtsortes, ist an dieser Stelle weder die rechte Zeit, noch zeigt sich der Ort der Gerichtsverhandlung in seiner Funktion.
Folgerung: Es gibt keine Regel, die dem bewussten Willen und Wissen der K's intelligibel wäre. Es ist in allen drei Romanen dasselbe Spiel: Die K's suchen die Orte der Macht auf, zielen daneben (wie Josef K. durch seine unangebrachten Reden am Prozesstag) und finden dafür eine Frau, die sie vielleicht in ihrem Sinne benutzen wollen, da sie direkt mit der Macht verbunden ist. Tatsächlich aber ist es umgekehrt: Josef K. wird von Leni gefunden, Karl von der Oberköchin. Erst innerhalb der Läufe ENTWICKELT, oder besser, ZEIGT SICH die Natur ihres Begehrens und ihrer Schuld. Der Prozess des Josef K. entwickelt sich erst mit der Zeit. Sein Denken, sein Handeln schaffen die Tatsachen, die später seine Verurteilung stützen. Nicht nur das, auch das Denken der K's über die Vergangenheit (von der der Leser im Prozeß wenig, im Schloß gar nichts erfährt) schafft die Beweise, die die "Ankläger" zuvor nicht als Fakten vorzeigen konnten.

Innerhalb dieser Läufe stellen die Verhöre Momente des erzwungenen Stillstandes dar. Die Helden wollen gerade dort, wo sie sind, nicht sein. Dies ist zwar immer der Fall, aber während der Verhöre wird es besonders deutlich. Es sind Momente der Selbstbefragung, wie auch das Gericht ein Selbstgericht ist.

 

4. Reziproke Strukturen

Die Gänge, so hieß es im zweiten Abschnitt dieses Textes, seien Gedankengänge, die Gebäude Gedankengebäude. Es gibt weitere Entsprechung: Die Häuser entsprechen vertikal der Figur des Menschen. Josef K. befällt auf den Dachböden Schwindel, die Luft ist stickig. Erst mit der Gewöhnung an die Vorstellung eines Prozesses und seines Fortgangs kann er sich einigermaßen damit abfinden.
Die Orte verändern sich je nach Bewusstsein des Helden. Der Raum, in dem der Prozesstag gegen Josef K. angesetzt ist, wird zunächst als sehr klein beschrieben, weitet sich dennoch in Kafkas akribischer Abtastung zu einem Saal, der trotz aller Enge noch Platz für Theaterlogen hat.

Je stärker Josef K. in den Prozess hineingezogen wird, umso stärker derealisiert sich seine Wahrnehmung. So wird von jemanden gesagt: "Fast auf allen Dachböden sind Gerichtskanzleien". Josef K. öffnet eine Besenkammer und erblickt dort die Strafszene mit dem Prügler. Sogar am nächsten Tag, als er hofft, dies sei nur eine Täuschung gewesen, findet dasselbe Szenario am selben Ort erneut (oder noch immer) statt.

Nicht allein der Eindruck der Architekturen verändert sich gemäß dem Denken und Handeln der Helden, sondern das gesamte Personal, die gesamte Welt. Martin Walser hat das Verhältnis Umwelt-Hauptfigur und GEGENORDNUNG beschrieben. Die Gegenwelt reagiert auf K's gedankliche und aktive Eingriffe, aber nicht nur auf sein bewusstes Tun, sondern auch auf seine unbewussten Wünsche. Gerade auf sie. Was die K's befürchten, tritt ein. Der "Fall Robinson" (A) führt zu genau den Komplikationen, die Karl befürchtet. Am Anfang des "Prozesses" heißt es, dass die Schuld des Angeklagten das Gericht anziehe. Die Gegenwelt ist passiv, blind und unendlich schlau (Benjamin benutzt dafür das Potemkin-Beispiel). Sie verhält sich so, dass sie immer dort ist, wo die K's sich mit ihrem bewussten Denken und Handeln gerade nicht befinden, so wie die Beamten des Schlosses.
Ja, die Versuchsanordnung ist sogar so perfide, dass, je hartnäckiger die K's sich etwas ausrechnen, was eine Machtrepräsentanz tun könnte und wie sie sich ihr nähern könnten, sie sich umso weiter davon entfernt. Nur in Augenblicken der Müdigkeit, ja des Schlafes, kann eine Nähe hergestellt werden, wie im Gespräch mit Bürgel, wo K. sein Ziel im Traum erreicht.
G. Kurz hat das Verhältnis K. und Umweltpersonal so zusammengefasst. "Der Text ist Ausdruck eines Bewusstseinstheaters, in dem die Hauptfigur und ihre Mitfiguren dissoziiert sind und dennoch eine gemeinsame "Person" bilden. Erst der Chor aller Figuren sagt die ganze Wahrheit."
Diese Konstruktion könnte man nun wieder psychoanalytisch decodieren, indem man eine Spaltung diagnostizierte und von dem Kampf Ich gegen Überich spräche. - Das ist gewiss nicht falsch, aber Kafka lässt die Welt/Umwelt des Helden ebenso real wie imaginär erscheinen. Sie gehört sowohl der Innen- wie der Außenwelt an. So wird das Gefängnis als "ontologische Grundbedingung" (H.H. Hiebel) noch härter erfahren. Die Strukturen des Unbewussten sind zugleich die Strukturen, die sich im Realen wieder finden lassen.
Zudem ist die gesamte Versuchsanordnung ebenso auf Allwissen wie Blindheit, Nachgiebigkeit und Brutalität aufgebaut. Als Tendenz könnte man (innere Logik der Helden, die sowohl leben als auch sterben wollen) eine abfallende, dem Tod entgegengehende konstatieren. Beispiel: Karl und das "Naturtheater von Oklahoma" als Tod und Verklärung, Josef K.'s selbstgewollte Exekution, im Schloß die Müdigkeit - Unendlichkeit, die dem Tode zustrebt. Deleuze/Guattaris Sätze von der "Unendlichkeit" sind hier ebenso treffend.

Dies ist aber nur der eine Teil der Dynamik, der andere hat damit zu tun, dass die Versuchsanordnung von vornherein als Falle konstruiert ist.

 

5. Die Falle

 

Sosehr sich die K's auch abrackern, das ganze Spiel, die Versuchsanordnung, der Menschenversuch, ist ein schlechter Scherz, verläuft allein in einer leeren Automatik. Die Wahlentscheidung in den Duplex- Situationen ist keine, denn sie kann immer nur falsch sein, das Urteil ist immerschon präjudiziert, der Brief an Karl (A) schon geschrieben. Josef K.'s Schuld und Urteilsspruch sind von vornherein da. Die Handlung dient allein dem Herausbringen und dem Selbstvollzug des Urteils (Josef K. hatte die Henker schon erwartet).
Überhaupt ist das Wissen der Personen um K. auffällig. Der anonyme Mechanismus vergisst nichts, sowenig wie "Akten nicht verloren gehen" (S). Alle Nebenpersonen scheinen nebenbei schon alles über K. und dessen Absichten zu wissen (vgl. W. Benjamin). Im Bild der Perspektive gesprochen: Dem Auge entgeht nichts (wie Klamm/S), es ist omnipräsent.
Alle kriminologischen Bemühungen können nichts fruchten, das Rätsel der geheimen Konstruktion bleibt ungelüftet.
Alle Fluchtversuche der K's haben immer nur ein Ziel: Vor der Verkopplung Macht/Ordnung zu fliehen und sie zugleich zu suchen. Nach Deleuze/Guattari ist dies der Wunsch, innerhalb des Mechanismus'/Begehrens zu funktionieren.

Wie Karl (im Eingangszitat) vor der Polizei flieht, kann es geschehen, dass er "über die Querstraße" direkt im Polizeihauptquartier landet. K. ist bei seinem ersten Versuch, das Schloss über einen Weg zu erreichen ebenso weit/ ebenso nah davon entfernt wie später.
Diese Anordnung zugrunde gelegt, sind die Romane notwendig abgeschlossen/unabgeschlossen. Die K's "bleiben auf der Strecke", immerschon und im Verlauf.

Das Labyrinth auf Kreta hatte einen Konstrukteur, ein Roman hat einen Autor. Also wieder alles auf Kafka zurückbiegen?

 

6.Gelächter?

 

Eine Möglichkeit wäre, das Ganze als bösen Scherz auszugeben, eine Karikatur des Lebensverlaufs darin zu sehen, eine Parabel. Aber weder bei Nietzsche noch bei Kafka gibt es Hinweise auf ein gelungenes, befreiendes Lachen, wenngleich manche Szenen bei Kafka durch leichte Verschiebung zu den Szenarien der frühen Hollywood Slapstick-Komödien gehören könnten.

So wie die K's immer wieder einen Ausgang suchen, suchen Kritiker und Interpreten ihr Heil in Reterritorialisierungen: Kindheit, negative Theologie oder geschichtlich- politische Analyse. Ich denke, man kann nicht mehr versuchen, als die Funktionsweise des oben markierten Automatismus' und seine Entsprechung im Realen zu beschreiben. Im selben Augenblick bin ich aber wieder inmitten eines bösen Spiels: Im Analytiker- Endlosband.

 



© Michael Thamm 1990